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Die unbequeme Wahrheit (Teil 2)

Tipps und Tricks rund um das Thema Herzgesundheit und Cholesterin gibt es viele. Ihre Patientinnen und Patienten hören, lesen oder befragen Sie fast täglich dazu. Was sind Ihre Erfahrungen? Wir prüfen folgende Fragen: Was kann eine Ernährungsumstellung leisten? Wie steht es um Lebensmittel wie Eier und Rotwein? Und welche Personen haben ein hohes Risiko?

„Ernährungsumstellung reicht zur Cholesterinsenkung vollkommen aus“

Patientinnen und Patienten erhalten immer wieder Tipps aus Lebensstil-Ratgebern, dass ihre erhöhten LDL-C-Werte alleine mit Hilfe einer Ernährungsumstellung gesenkt werden können.1 So liest man häufig, dass eine gesunde, fettarme Ernährung effektiver sei, als die Einnahme von Cholesterinsenkern.2

Richtig ist, dass im ersten Schritt eine Anpassung der Ernährung als Basis für eine erfolgreiche lipidsenkende Therapie angesehen wird. Wenig Fett, ballaststoffreich und Lebensmittel mit einem hohen Anteil an einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind eine gute Grundlage.1,2

Aber haben Betroffene z. B. stark erhöhte LDL-C-Werte, lässt sich mit Hilfe einer gesunden Ernährung der Cholesterinspiegel lediglich um 10 bis 15 % senken.2 Durch den Einsatz von lipidsenkenden Medikamenten können die Werte um bis zu 85 % gesenkt werden.3

 

Fazit: Für Risikopatientinnen und -patienten mit stark erhöhten LDL-C-Werten reicht eine Ernährungsumstellung allein oft nicht aus. Um einen LDL-C-Wert von <70 mg/dl oder gar <55mg/dl zu erreichen, ist eine zusätzliche pharmakologische Therapie notwendig.3

 


„Cholesterinrisiko durch das Frühstücksei?“

Sucht man im Internet nach „Cholesterin und Eier“, erscheinen über 250.000 Ergebnisse. Häufig wird die Frage gestellt, welchen Einfluss der Verzehr von Eiern auf den Cholesterinspiegel hat und wie viele Eier pro Woche verzehrt werden dürfen. Ein hoher Eierverzehr wurde lange Zeit kritisch betrachtet, da Eier einen hohen Cholesteringehalt von etwa 240 mg pro 60 g Ei haben. Gleichzeitig dienen Eier aber auch als hochwertige Proteinquelle und Nährstofflieferant.4

Die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen Eierverzehr und dem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen besteht, wurde in diversen Metaanalysen, Reviews und Studien untersucht. Die Auswertung dieser zeigte jedoch weder positive noch negative Auswirkungen auf das kardiovaskuläre Risiko. Aufgrund der Ergebnisse lassen sich folglich auch keine Empfehlung zur Verzehrmenge von Eiern ableiten.5,6

 

Fazit: Der Fokus sollte nicht auf die Diskussion über Grenzwerte für Eier und die damit verbundene Cholesterinzufuhr gelegt werden, sondern stattdessen auf die Gesamtqualität der Ernährung sowie einen gesunden Lebensstil.4

 


„Rotwein ist gut für das Herz“

Ein weiterer Mythos lautet: „Ein Glas Rotwein täglich ist gut für die Gesundheit und für das Herz!“. Es heißt, dass der moderate Konsum von Rotwein gesund sei, vor allem durch die darin enthaltenen sekundären Pflanzeninhaltsstoffe wie Flavonoide und Polyphenole.7 Dabei wird besonders häufig das Polyphenol Resveratrol genannt. Für Resveratrol wird neben einem positiven Einfluss auf den Blutdruck auch das Potential zur Erhöhung des HDL-Spiegels diskutiert. In Studien zeigt sich allerdings kein einheitliches Bild bei der Wirkung von Resveratrol. Wichtig ist dabei auch, dass hohe Dosierungen von 100 bis 3000 mg täglich in den Studien eingesetzt wurden.8,9 Der Resveratrolgehalt in Wein liegt mit nur etwa 0,24 mg pro 100 ml deutlich niedriger. Zudem kann der Gehalt je nach Traubensorte erheblich schwanken.10

Bei der Betrachtung des Rotweinkonsums muss zusätzlich der tägliche Alkoholkonsum berücksichtigt werden, welcher in Studien kein einheitliches Bild zeigt. Einerseits deuten aktuelle Studien darauf hin, dass bereits ein geringer, regelmäßiger Alkoholkonsum (1,2 Gläser/Tag bzw. 2g Alkohol/Tag) mit einem erhöhten Risiko für Vorhofflimmern verbunden ist11 und das ein kausaler Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und dem Risiko für einen Schlaganfall und eine periphere Arterienerkrankung besteht.12 Ebenso steht ein hoher Alkoholkonsum mit einem Anstieg von Triglyceriden in Verbindung, der mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert ist.13

Andererseits zeigen Studien auch eine Erhöhung des HDL-Cholesterin durch den Konsum von Alkohol.14 Insbesondere der Alkoholkonsum in geringen Mengen scheint einen positiven Effekt auf das kardiovaskuläre Risiko haben zu können.15

 

Fazit: Die sekundären Pflanzeninhaltsstoffe, welchen häufig gesundheitsfördernden Eigenschaften zugesprochen werden, kommen im Wein nur in geringen Mengen vor.10 Der tägliche Konsum von Alkohol ist zudem ein kontroverses Thema. Während einige Studien positive Effekte moderaten Alkoholkonsums zeigen14,15, weisen andere Studien auf eine Erhöhung des Risikos für Herzerkrankungen hin.11,12,13

 


„Nur übergewichtige Menschen haben erhöhte Cholesterinwerte“

Nicht selten gehen Patientinnen und Patienten davon aus, dass nur übergewichtige Menschen erhöhte Cholesterinwerte haben können. Ein Body Mass Index (BMI) von >25 stellt zwar einen wichtigen Risikofaktor für eine Hypercholesterinämie dar, aber auch schlanke Personen mit einer ungesunden Ernährung (reich an gesättigten Fettsäuren oder Transfettsäuren) haben ein erhöhtes Risiko. Auch das Rauchen und eine geringe körperliche Aktivität stellen Risikofaktoren dar.16 Zudem gibt es neben erhöhten Cholesterinwerten auch weitere Risikofaktoren für Atherosklerose wie Hypertonie und Diabetes mellitus.17

Das Auftreten einer Hypercholesterinämie kann auch genetisch bedingt sein. Die familiäre Hypercholesterinämie hat eine Prävalenz von 1:500 in Deutschland und zählt damit zu den häufigsten genetischen Störungen. Häufig liegt eine Mutation im LDL-Rezeptor-Gen zugrunde, wodurch es zu einer deutlichen Erhöhung des LDL-C im Plasma kommt – unabhängig von den oben genannten Risikofaktoren.18

 

Fazit: Neben Übergewicht gibt es weitere Risikofaktoren für erhöhte Cholesterinwerte, sodass auch schlanke Personen an einer Hypercholesterinämie erkranken können.16 Zudem kann die Erkrankung auch genetische Ursachen haben und somit familiär bedingt sein.18

 

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Referenzen:

  1. Ernährung & Mikronährstoffe bei hohem Cholesterin. Gesundheitskompass.de; unter: https://gesundheitskompass.de/ernaehrung/cholesterin/?gclid=Cj0KCQjwgtWDBhDZARIsADEKwgPotfnac7fnUZrX9fcXAElIBWqM7rtBAq7BGwx1nGWmjthnUsqOPLEaAl-gEALw_wcB (aufgerufen am 13.04.2021).

  2. Rosenthal RL. Effectiveness of altering serum cholesterol levels without drugs. Proc (Bayl Univ Med Cent). 2000;13(4):351-355.

  3. Mach F et al. 2019 ESC/EAS Guidelines for the management of dyslipidaemias: lipid modification to reduce cardiovascular risk. European Heart Journal. 1. Januar 2020;41(1):111-118.

  4. Eierverzehr: Fokus auf Gesamtqualität der Ernährung legen. Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. 2021, unter: https://www.dge.de/nachrichten/detail/eierverzehr-fokus-auf-gesamtqualitaet-der-ernaehrung-legen/ (abgerufen am 25.08.21).

  5. Maretzke F, Lorkowski S, Egert S: Egg intake and cardiometabolic diseases: an update. Part 1. Ernährungs Umschau 2020; 67(1): 11–7.

  6. Maretzke F, Lorkowski S, Egert S (2020) Egg intake and cardiometabolic diseases: an update. Part 2. Ernährungs Umschau 67(2): 26–31.

  7. Weaver et al. Fine wine or sour grapes? A systematic review and meta-analysis of the impact of red wine polyphenols on vascular health. European Journal of Nutrition 2021; 60:1-28.

  8. Asagary et al. Effect of metabolic syndrome components: A systematic review and meta-analysis. Reviews in endocrine & metabolic disorders 2019;20:173-186.

  9. Fogacci et al.  Effect of resveratrol on blood pressure: A systematic review and meta-analysis of randomized, controlled, clinical trials. Crit Rev Food Sci Nutr. 2019;59(10):1605-1618.

  10. Vitrac X., Monti J.P., Vercauteren J., Deffieux G., Merillon J.M. (2002) Direct liquid chromatographic analysis of resveratrol derivatives and flavanonols in wines with absorbance and fluorescence detection. Analytica Chimica Acta 458:103-110.

  11. Csenergi et al. Alcohol consumption, cardiac biomarkers, and risk of atrial fibrillation and adverse outcomes. Eur Heart J. 2021; 42(12):1170-1177.

  12. Larsson et al. Alcohol Consumption and Cardiovascular Disease. Circ Genom Precis Med. 2020; 13(3):e002814.

  13. Klop et al. Alcohol and plasma triclycerides. Curr Opin Lipidol. 2013 Aug; 24(4):321-6.

  14. Silva et al. Alcohol consumption raises HDL cholesterol levels by increasing the transport rate of apolipoproteins A-I and A-II. Circulation. 2000 Nov 7;102(19):2347-52.

  15. Bell et al. Association between clinically recorded alcohol consumption and initial presentation of 12 cardiovascular diseases: population based cohort study using linked health records. BMJ. 2017;356: j909.

  16. Karr S. Epidemiology and management of hyperlipidemia. Am J Manag Care. 2017 Jun;23(9 Suppl):S139–S148.

  17. Debus, E., Torsello, G., Schmitz-Rixen, T. et al. Ursachen und Risikofaktoren der Arteriosklerose. Gefässchirurgie 18, 544–550 (2013).

  18. Klose G et al. Familiäre Hypercholesterinämie: Entwicklungen in Diagnostik und Behandlung. Dtsch Ärztebl Int 2014;111:523-529.