Herz dargestellt aus verschiedenen Lebensmitteln

Die unbequeme Wahrheit (Teil 3)

Um das Thema Cholesterin ranken sich viele Mythen. Besonders im Fokus steht dabei die Ernährung und deren positive oder negative Auswirkungen auf die Blutfettwerte. Im dritten Teil der Reihe nehmen wir deshalb einige Ernährungstrends genauer unter die Lupe: Wie gesund oder ungesund sind Kokosöl, Fleisch und Fleischersatzprodukte wirklich?

 

„Kokosöl hat eine gesundheitsfördernde Wirkung“

Der Hype um das Kokosöl als sogenanntes Superfood ist groß. Doch wie steht es um die gesundheitsförderlichen Eigenschaften von Kokosöl? Zunächst wichtig zu beachten: Kokosöl enthält etwa 90 % gesättigte Fettsäuren. Laut Ernährungsempfehlungen sollten diese nur in geringen Mengen (max. 10 % der Gesamtenergiezufuhr) konsumiert werden.1,2 Der Hype des Kokosöls beruht u.a. auf seinem hohen Anteil an Mittelkettigen Triglyceriden (MCT-Fette). Potentielle positive Effekte wie eine Verbesserung der Glukose-Homöostase oder eine Hemmung von Entzündungsprozessen werden immer wieder diskutiert.1

Eine Metaanalyse von Neelakantan et al. untersuchte die Effekte von Kokosöl auf CV Risikofaktoren. Es zeigte sich: Kokosöl führt im Vergleich zu anderen pflanzlichen Ölen zu einem Anstieg des Low-density-Lipoprotein Cholesterin (LDL-C) um 10,47 mg/dl ( 95% CI:3,01-17,94; I2 =84%; N=16) und des High-density-Lipoprotein Cholesterin (HDL-C) um 4,00 mg/dl (95% CI: 2,26-5,73; I2 =72%; N=16). Auch auf andere Risikofaktoren wie Körpergewicht, Taillenumfang, Körperfettanteil, C-reaktives Protein und die Nüchtern-Plasmaglukose konnten keine signifikanten Einflüsse beobachtet werden.1

 

Fazit: Für Kokosöl konnten bisher keine positiven Auswirkungen auf das Lipidprofil und das CV Risiko belegt werden. LDL- und HDL-Cholesterin stiegen gleichzeitig an.1,3 Aufgrund seines hohen Anteils an gesättigten Fettsäuren sollte Kokosöl nur in geringen Mengen verzehrt werden. Stattdessen sollte der Konsum von Raps-, Wallnuss-, Lein- oder Olivenöl, mit einem hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren, bevorzugt werden.2

 


„Weißes Fleisch ist gesünder als rotes Fleisch“

Betrachtet man den Fleischverzehr, wird häufig angenommen, dass der Konsum von weißem Fleisch (Geflügel) gesünder sei, als von rotem Fleisch (Rind, Schwein, Lamm). Was ist dran?

Eine randomisierte kontrollierte Studie von Bergeron et al. konnte diese Aussage – bezogen auf die Blutfettwerte – nicht bestätigen. Dabei wurden Blutfettwerte unter einer Ernährung reich an Proteinen aus weißem Fleisch, aus rotem Fleisch oder aus vegetarischer Kost miteinander verglichen. Sowohl für rotes als auch für weißes Fleisch zeigte sich eine signifikante Erhöhung des LDL-Cholesterins und von Apolipoprotein B im Vergleich zur vegetarischen Gruppe. Die Erhöhung war unabhängig vom Anteil der gesättigten Fettsäuren. Somit scheint weißes Fleisch gegenüber rotem Fleisch keinen Vorteil für bessere Blutfettwerte zu bieten.4 Auch eine Metaanalyse von Guasch-Ferré et al. bestätigt dieses Ergebnis.5

 

Fazit: Bezogen auf das kardiovaskuläre Risiko bietet der Verzehr von weißem Fleisch keinen Vorteil gegenüber dem Konsum von rotem Fleisch. Vegetarische Eiweißquellen scheinen hingegen einen positiven Einfluss auf die Blutfettwerte zu haben.4,5 Weitere Informationen finden Sie in unserem Beitrag: Hypercholesterinämie – Das Potential von Veganismus & Co.

 


„Fleischersatzprodukte sind nicht besser als Fleisch“

Viele Menschen versuchen ihren Verzehr von tierischen Lebensmitteln zu reduzieren. Dabei werden immer häufiger Fleischersatzprodukte verwendet. Diese haben zum Teil einen schlechten Ruf – zu Recht?

Generell gilt, dass der Verzehr von stark verarbeiteten Lebensmitteln mit einem höheren kardiovaskulären Risiko einhergeht. Um Fleischersatzprodukte herzustellen, werden Lebensmittel jedoch häufig stark verarbeitet.6

Beim Vergleich der Inhaltsstoffe, zeigt sich in den Fleischersatzprodukten ein günstigerer Gehalt an Proteinen, gesättigten Fettsäuren und Gesamtfett. Der Gesamtenergiegehalt hingegen ist vergleichbar mit Fleischprodukten. Auch beim Salzanteil schneiden beide Produkttypen mit einem sehr hohen Salzgehalt ähnlich ab.

Einen ernährungsphysiologischen Vorteil bieten die Fleischersatzprodukte vor allem dann, wenn sie Fleisch und Wurst ersetzen.7 Eine randomisierte Crossover-Studie zeigte: nach 8 Wochen bewirkt der Verzehr von Fleischersatzprodukten anstelle von Fleisch eine signifikante Reduktion des Risikomarkers Trimethylamine-N-Oxide (TMAO), des LDL-Cholesterins und des Gesamtkörpergewichts.8

Die neusten Ergebnisse von Ökotest aus April 2022 zeigen jedoch die Kehrseite der Medaille: viele Fleischersatzprodukte enthalten kritische Inhaltsstoffe wie aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe (kurz MOAH), die in Verdacht stehen krebserregend zu sein, oder das umstrittene Verdickungsmittel Carrageen, das mit Darmentzündungen in Verbindung gebracht wird.9 Dadurch wird deutlich, dass auf dem Gebiet von Fleischersatzprodukten noch viel Forschung nötig ist, um den ernährungsphysiologischen und sicherheitsrelevanten Aspekten langfristig gerecht zu werden.

 

Fazit: Fleischersatzprodukte stellen eine gute Alternative zu Fleisch und Wurstwaren dar und zeigen u.a. positive Effekte auf das LDL-Cholesterin.8 Dennoch sollten Sie nur in moderaten Mengen konsumiert werden, da die Liste an Mängeln leider noch lang ist.  Eine vollwertige, abwechslungsreiche Ernährung mit moderatem Fettgehalt sowie niedrigem Gehalt an Salz und gesättigten Fettsäuren sollte bevorzugt werden.7

 


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Referenzen:

  1. Neelakantan N et al. The Effect of Coconut Oil Consumption on Cardiovascular Risk Factors: A Systematic Review and Meta-Analysis of Clinical Trials. Circulation. 2020;141(10):803-814.

  2. Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. Ausgewählte Fragen und Antworten zur 2. Version der DGE-Leitlinie „Fettzufuhr und Prävention ausgewählter ernährungsmitbedingter Krankheiten“. 2015 unter: https://www.dge.de/wissenschaft/faqs/fettleitlinie/ (abgerufen am 30.03.2022)

  3. Eyres L et al. Coconut oil consumption and cardiovascular risk factors in humans. Nutr Rev. 2016;74(4):267-280.

  4. Bergeron et al. Effects of red meat, white meat, and nonmeat protein sources on atherogenic lipoprotein measures in the context of low compared with high saturated fat intake: a randomized controlled trial. Am J Clin Nutr 2019;110:24-33. Am J Clin Nutr. 2019;110(3):783.

  5. Guasch-Ferré et al. Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials of Red Meat Consumption  in Comparison With Various Comparison Diets on Cardiovascular Risk Factors. Circulation. 2019 Apr 9;139(15):1828-1845.

  6. Srour B et al. Ultra-processed food intake and risk of cardiovascular disease: prospective cohort study (NutriNet-Sante). BMJ. 2019;365:l1451.

  7. Huber J und Keller M. Ernährungsphysiologische Bewertung von konventionell und ökologisch erzeugten vegetarischen und veganen Fleisch- und Wurstalternativen. 2017 Studie im Auftrag der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, Berlin.

  8. Crimarco A et al. A randomized crossover trial on the effect of plant-based compared with animal-based meat on trimethylamine-N-oxide and cardiovascular disease risk factors in generally healthy adults: Study With Appetizing Plantfood-Meat Eating Alternative Trial (SWAP-MEAT). Am J Clin Nutr. 2020;112(5):1188-1199.

  9. Michl J, Rix M., Wenzel L. Vegane Wurst im Test: 13 Aufschnitte sind „mangelhaft“ oder „ungenügend“. Ökotest Magazin. 2022; April.