Lipidsenker zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos – Wo stehen wir heute?
Es existieren verschiedene Behandlungsstrategien, um den LDL-C-Wert und damit das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse zu senken. Die Wahl der adäquaten Therapie ist dabei zum einen abhängig vom kardiovaskulären Risiko des Patient:innen, zum anderen davon, ob veranlasste Strategien Wirkung zeigen. Sie wird je nach Bedarf stufenweise angepasst und setzt sich aus konservativen, nicht-medikamentösen Ansätzen und medikamentösen Lipidsenkern wie Statinen und anderen Arzneimitteln zusammen.
Behandlungsstrategie in Abhängigkeit vom kardiovaskulären Risiko und LDL-C1
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Nicht-medikamentöse Interventionen
Um die individuellen LDL-Zielwerte zu erreichen, wird dem Patient:innen zunächst immer zu einer Modifikation des Lebensstils geraten. Dazu zählen folgende Punkte:1
Ernährung/Diät | v. a. Vollkornprodukte, Gemüse, Obst und Fisch, wenig gesättigte Fettsäuren |
Körperliche Aktivität | Moderate Aktivität über 3,5–7 Stunden/Woche oder 30–60 Minuten täglich |
Körpergewicht | Empfohlener BMI 20–25 kg/m2 Taillenumfang < 94 cm (Männer) bzw. < 80 cm (Frauen) |
Blutdruck | < 140/90 mmHg* |
Sonstiges | Wenig Alkohol, kein Tabakkonsum |
* Für die meisten behandelten Hochdruckpatient:innen werden niedrigere Behandlungsvorgaben empfohlen, sofern die Behandlung gut vertragen wird
Laut der aktuellen ESC/EAS-Leitlinie sind gesättigte Fettsäuren der Ernährungsfaktor mit dem größten Einfluss auf die Höhe des LDL-C-Spiegels. Zwar haben die Reduktion des Körpergewichts und körperliche Bewegung nur einen geringen Einfluss auf die Reduktion des LDL-C-Wertes. Jedoch können beide Maßnahmen das kardiovaskuläre Risiko beeinflussen, indem sie sich auf den Bluthochdruck und das Diabetes-Risiko auswirken.1
Wirkmechanismen medikamentöser Lipidsenker
Wenn Lebensstilmodifikationen alleine nicht den gewünschten Effekt auf den LDL-C-Wert haben oder wenn Patient:innen unter einem hohen kardiovaskulären Risiko leiden, kommen medikamentöse Lipidsenker zum Einsatz. Die derzeit verfügbaren medikamentösen Lipidsenker greifen an verschiedenen Angriffspunkten an, um den LDL-C-Wert zu senken: der Cholesterinbiosynthese in der Leber, der Cholesterinresorption im Darm, dem enterohepatischen Kreislauf und dem Abbau von LDL-Rezeptoren.
Statine hemmen kompetitiv die HMG-CoA-Reduktase, das Schlüsselenzym der Cholesterinbiosynthese. Hierdurch sinkt die intrazelluläre Cholesterinkonzentration in den Hepatozyten. Es folgt eine Gegenregulation mit Zunahme der LDL-Rezeptoraktivität an den Hepatozyten und einer vermehrten Aufnahme des LDL-Cholesterins aus der Blutbahn. Je nach Statin-Dosis sinkt der LDL-C-Spiegel um bis zu 50 %.3
Das Niemann-Pick-C1-like-1-Protein (NPC1L1) ist ein Protein in den intestinalen Zellen, das die Resorption von Cholesterin fördert. Durch die selektive Hemmung von NPC1L1 wird die intestinale Resorption von Cholesterin reduziert, was zu einer Verringerung des LDL-C-Spiegels führt. Ezetimib ist der einzige verfügbare Cholesterinresorptionshemmer.3
Die Adenosin-Triphosphat-Citrat-Lyase (ACL) katalysiert die Spaltung von Citrat zu Oxalacetat und Acetyl-CoA. Acetyl-CoA ist ein Substrat der Fettsäure- und Cholesterinsynthese. Durch die Blockade von ACL wird die hepatische Cholesterinsynthese verringert, die LDL-Rezeptoren hochreguliert und der LDL-C-Spiegel gesenkt.2, 3
Das Enzym PCSK9 spielt in der Leber eine wichtige Rolle beim Abbau von LDL-Cholesterin-Rezeptoren, was die Plasmakonzentration von LDL-C erhöht. Die PCSK9-Hemmer inhibieren als monoklonale Antikörper dieses Enzym. Sie sorgen für mehr LDL-Rezeptoren auf den Hepatozyten und steigern dadurch die LDL-Aufnahme aus dem Blut in die Leberzelle. Neben diesem Effekt können sie zudem den LDL-C-senkenden Effekt von Statinen verstärken.3
Die Gallensäurebinder (auch Anionenaustauscher genannt) binden im Dünndarm Gallensäuren und unterbrechen somit deren enterohepatischen Kreislauf. Die an die Anionenaustauscher gebundenen Gallensäuren werden mit den Fäzes ausgeschieden. Um den Verlust an Gallensäuren zu kompensieren, kommt es in der Leber zu einer vermehrten Cholesterin-Neusynthese. Dadurch nimmt die LDL-Rezeptoraktivität an den Hepatozyten zu und es wird mehr LDL-C aus dem Blut aufgenommen, was eine Senkung des LDL-Cholesterins im Blut zur Folge hat.3
Der genaue Wirkmechanismus der Fibrate ist ungeklärt, obwohl diese Wirkstoffe bereits seit mehr als 50 Jahren eingesetzt werden. Sie binden an den hormonell aktivierten nukleären Rezeptor, den Peroxisom-Proliferator-aktivierten Rezeptor alpha (PPARα), und aktivieren ihn. Dies erhöht unter anderem die Aktivität der Lipoproteinlipase, was zum vermehrten Umbau der VLDL (Very-low-density-Lipoproteine) und IDL (Intermediate-density-Lipoproteine) zu LDL (Low-density-Lipoproteine) führt. Zudem wird dadurch die VLDL-Synthese gehemmt. Fibrate werden vor allem bei moderaten Hypertriglyzeridämien eingesetzt.3
Einsatz medikamentöser Lipidsenker
Bei Patient:innen mit hohem kardiovaskulärem Risiko oder zu hohem LDL-C-Wert trotz Lebensstilmodifikation kommen zunächst hochwirksame Statine bis zur maximal verträglichen Dosis zum Einsatz, wie z. B. Atorvastatin oder Rosuvastatin. Führt dies nicht zur Senkung des LDL-C in den Bereich des Zielwerts, sollte zusätzlich Ezetimib verordnet werden. Wird auch mit dieser Therapie der LDL-C-Zielwert nicht erreicht, sollte – je nach Patient:innentyp, Risikograd und Behandlungszweck – die Hinzunahme von PCSK9-Hemmer in Betracht gezogen werden.1
Fibrate werden von ESC/EAS vor allem zur Behandlung der Hypertriglizeridämie empfohlen. Sie kommen zur Primärprävention und bei Hochrisiko-Patient:innen in Kombination mit Statinen zum Einsatz, wenn die Patient:innen neben der Hypercholesterinämie einen Triglyzeridspiegel > 200 mg/dl (2,3 mmol/l) aufweisen. Gallensäurebinder (Anionenaustauscher) werden laut Leitlinie v. a. empfohlen zur Behandlung von Dyslipidämien bei Frauen, die schwanger werden wollen, während einer Schwangerschaft oder in der Stillzeit, da dieser Lipidsenker nicht systemisch absorbiert wird.1
Einige Patient:innen erreichen trotz aller Anstrengungen mit den derzeit verfügbaren oralen Lipidsenkern ihre LDL-C-Zielwerte nicht. Diese Patient:innen benötigen neue, einfach anzuwendende und gut verträgliche Behandlungsmöglichkeiten.
Referenzen:
- Mach F, Baigent C, Catapano AL et al. 2019 ESC/EAS Guidelines for the management of dyslipidaemias: lipid modification to reduce cardiovascular risk: The Task Force for the management of dyslipidaemias of the European Society of Cardiology (ESC) and European Atherosclerosis Society (EAS). Eur Heart J 020; 41: 111-188.
- Hegele RA, Tsimikas S. Lipid-Lowering Agents. Circ Res 2019; 124: 386-404.
- Barter PJ, Rye KA. New Era of Lipid-Lowering Drugs. Pharmacol Rev 2016; 68: 458-475.
- Karow T, Lang-Roth R. Allgemeine , und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie 2020. Thomas Karow Verlag, Pulheim, 2019.
- DGFF (Lipidliga (Hrsg.)) Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie von Fettstoffwechselstörungen; Abgerufen am 08.02.2022 unter https://www.lipid-liga.de/fuer-aertze/empfehlungen
- AM-RL Anlage III Nr. 35a-c. Aktueller Stand. Abgerufen am 08.02.2023 unter http://www.g-ba.de/richtlinien/3/
- Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung. Anlage I: Anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden. 1. Ambulante Durchführung der Apheresen als extrakorporales Hämotherapieverfahren. Aktueller Stand. Abgerufen am 25.11.2022 unter https://www.g-ba.de/downloads/62-492-2990/MVV-RL-2022-10-20-iK-2022-11-25.pdf